Ehrlich gesagt bin ich durch mit dem Thema. Emotional. Ich brauch‘s nicht mehr. Für mich. Aber eventuell doch für „später“…?
Ich bin zur Zeit auf meiner zweiten Promotionsstelle. Die erste habe ich abgebrochen, nach anderthalb Jahren.
Dort wurden alle miesen Klischees erfüllt, die einem zur Wissenschaft einfallen. In meinem Beisein wurde von mir als „billigste Arbeitskraft“ für den Job gesprochen, vor Projektpartnern, auf die Frage, warum man eine Doktorandin auf die Stelle gesetzt hatte, obwohl es eigentlich kein Forschungsprojekt sein sollte. Es war den Verantwortlichen ziemlich egal, ob ich mit oder ohne Doktorarbeit da raus gehen würde. Klar, war natürlich auch mein Fehler, ich hab mich vorher wahrscheinlich nicht ordentlich informiert. Aber wenn eine Promotionsstelle ausgeschrieben wird und einem mehrfach versichert wird, dass man da promovieren kann, an einem renommierten Forschungsinstitut, dann glaubt man das erstmal. Irgendwie hatte ich mir dann auch eine Forschungsfrage erarbeitet, aber so richtig meins war es nicht. Ich sah keine Möglichkeit für mich, mich damit wirklich weiterzuentwickeln. Als ich dann quasi genötigt wurde, kurz nach dem Tod meines Vaters (was bekannt war) auf ein Projektabschlusstreffen von einem Konsortium, dessen Teil ich niemals war, mitzufahren, ins Ausland, und ich dort ein Poster präsentieren sollte, passierte dann zusätzlich noch etwas, was ich bis dahin nicht für möglich gehalten hatte. Jemand mir völlig fremdes zeigte in der Achievement-Session der einzelnen Projekt-Arbeitsgruppen mein Poster als PowerPoint-Slide, welches ich am nächsten Tag hätte präsentieren sollen. Als Errungenschaft seiner Arbeitsgruppe, dessen Teil ich niemals war. Dem mitgereisten PI meines Institutes, von dem der Herr die Datei gehabt haben musste, denn es waren auf dem Slide noch seine Anmerkungen in rot zu sehen, schien das nicht weiter aufgefallen zu sein. Nachdem ich all meinen Mut zusammengenommen hatte, und ihn darauf ansprach, bekam ich nur als dumme Frage zurück, wer denn mein Poster gezeigt haben solle und er das nicht mitbekommen habe. Er war mit im Raum, ich saß neben ihm. Das Poster war mindestens zwei lange Minuten zu sehen. Andere hatten mich darauf angesprochen. Alles klar.
Lange Rede kurzer Sinn, ich kündigte die Stelle. Mein Institutsleiter sagte mir zuerst, ich solle doch nicht so emotionale Entscheidungen treffen, mich erstmal wieder beruhigen, und fragte, ob mein Freund, mit dem ich extra für die Stelle eine Fernbeziehung in Kauf nahm, mich wieder bei sich haben wolle. Anscheinend konnte er sich nicht vorstellen, dass ich, als Frau, als Doktorandin, so eine Entscheidung alleine treffen kann. Für mich und meine Karriere. Er sagte mir, dass meine wissenschaftliche Karriere dann nun vorbei sein würde. An meinem letzten Tag verabschiedete er mich mit einer Tirade von Anschuldigungen, ich hätte Gerüchte gestreut, über ihn, dass man bei ihm nicht erfolgreich promovieren könnte. Ich habe halt nur nicht hinterm Berg gehalten, wenn mich andere nach meiner Entscheidung gefragt haben. Ganz sachlich. Und mindestens 50% der damals angestellten DoktorandInnen verließen nach 3 oder mehr frustrierenden Jahren dieses Teilinstitut ohne eine erfolgreiche Promotion. Ohne Selbstvertrauen. Am Boden zerstört. Viele weinten oft. Viele schimpften. So war es. Ich war sehr erleichtert, als ich das Gebäude zum letzten Mal verließ.
Promovieren wollte ich trotzdem noch. Nur anders. Ich hatte erlebt, dass es auch anders sein kann. Nach dem Abi hatte ich erst eine Ausbildung zur Biologielaborantin gemacht und danach knapp drei Jahre als TA gearbeitet. Das war super. Wahrscheinlich konnte ich damals nicht wirklich einschätzen, wie es den DoktorandInnen in meiner Arbeitsgruppe wirklich ging, aber insgesamt waren wir eine gute Arbeitsgruppe, klein, jung, und sehr verbunden. Wir hatte ein gutes Team-Verhältnis. Nicht immer perfekt, es gab natürlich Unstimmigkeiten, aber meistens konnte das gelöst werden. Und die meisten promovierten auch schnell und gut. Im Nachhinein war nicht alles so rosarot, wie ich es durch meine damalige junge TA-Brille gesehen habe, das wusste ich schon vor langer Zeit, aber ich wollte trotzdem immer in die Wissenschaft. Das kann ich, das macht mir Freude, ich tue etwas Nützliches. Wer möchte nicht so einen Job?
Ich möchte immer noch einen solchen Job. Aber ich möchte nicht in einem solchen Wissenschaftssystem arbeiten. Nicht so. Warum muss es so toxisch sein? In so vielerlei Hinsicht!
Ich fand kurz darauf eine weitere Promotionsstelle. Der erste Eindruck war super. Ich habe mich auch besser informiert. Vorher mehrmals mit dem PI und dem Postdoc, der dieses Projekt vorher betreut hatte, gesprochen. Naja, und kaum war ich da, der Postdoc auf einer anderen Stelle, gings wieder bergab.
Meine Freude an der Wissenschaft ist nicht verloren. Aber mein Wille, in einem solchen System zu arbeiten.
Gefühlt bin ich schon an einem ganz anderen Punkt in meiner Karriere, als da, wo ich jetzt stehe. Offiziell bin ich Berufseinsteiger. Aber ich habe eine Ausbildung, mehrjährige Berufserfahrung, ein Studium, viel ehrenamtliche Erfahrung, habe immer nebenbei gearbeitet, war mehrmals längere Zeit im Ausland, habe sogar schon publiziert. Aber jetzt zählt das alles nichts mehr. Außer für mich selbst. Habe ich den falschen Weg genommen? Zu lange an etwas festgehalten, was nicht gut werden würde?
Auf der Arbeit bin ich jetzt nur die kleine dumme Doktorandin, der man nichts weiter zutraut. Zum zweiten Mal. Die, die einfach irgendwie gucken soll, dass der nächste Western Blot nicht in die Hose geht. Die immer von früh bis spät anwesend sein soll. Einfach, um da zu sein. Bringt mich das persönlich weiter. Vielleicht ein bisschen, weil ich komplett auf mich allein gestellt zu arbeiten lerne.
Aber will ich das? Nein! Brauche ich den Doktortitel. Höchstwahrscheinlich. Nur als Titel. Nicht, um irgendwelche Fähigkeiten zu beweisen, nicht, um wissenschaftlich arbeiten zu können. Nur, um diesen Titel zu haben, um ernstgenommen zu werden.
Da hört es dann auf mit der Freude an der Arbeit. Und mit der Nützlichkeit. Ein Team sind wir im Moment schon wieder nicht. Trotz all der Sorgfalt, der erste Eindruck kann immer massiv täuschen.
Durchhalten? Ja, wahrscheinlich. Für was? Das bleibt noch die Frage.